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Mit angepassten Geschäftsmodellen die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Durch Wartung, Reparatur, Remanufacturing und Wiederverwendbarkeit von Produkten können Produktkreisläufe geschlossen und der Bedarf an Rohstoffen gesenkt werden. Einige Ansätze der Kreislaufwirtschaft sind in der Schweizer MEM-Industrie bereits heute etabliert. Potenzial besteht unter anderem noch bei den Geschäftsmodellen. Diese sind nicht zuletzt aufgrund von zahlreichen legislativen Aktivitäten in der Schweiz und der EU im Fokus.

Bereits Mitte der 1980er-Jahre gab es erste Ansätze für die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. Die Anwendungen blieben aber meist auf Recycling fokussiert oder in Nischen versteckt. 2015 initiierte die EU ein ambitioniertes Programm zur Kreislaufwirtschaft und verabschiedete den ersten «Circular Economy Action Plan». Ziele dieses Aktionsplans waren neben einem effizienteren Einsatz von Materialien die Auslotung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten und damit verbunden die Förderung der Nachhaltigkeit.

Die Unternehmen der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) erwirtschaften einen grossen Teil ihres Bruttoeinkommens im nahen Ausland und orientieren sich deshalb stark an den EU-Richtlinien. Auch in der Schweiz gibt es neue Vorschriften, die den Unternehmen – nebst einigen Herausforderungen – neue Chancen bieten.

Innere Produktkreisläufe schliessen und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen

In einer Kreislaufwirtschaft werden Produkte, Komponenten und Materialien wiederverwendet und dabei deren Einsatz- sowie Lebensdauer verlängert. Für die MEM-Industrie ist vor allem das Schliessen der inneren Produktionskreisläufe (s. Abbildung 1) interessant. Durch regelmässige Wartung und Reparatur kann die Lebensdauer von Maschinen und Produkten erhöht werden. Nicht mehr benötigte, aber noch funktionstüchtige Produkte können von neuen Nutzern wiederverwendet werden. Bei veralteten oder stark beanspruchten Produkten ist oftmals eine Wiederaufbereitung – ein sogenanntes Remanufacturing – möglich. Dabei werden defekte oder optisch nicht mehr einwandfreie Produkte industriell zu neuwertigen Produkten umgewandelt, indem Teilkomponenten ersetzt, modernisiert oder aufgefrischt werden.

Äusserer Rohstoffkreis und innere Produktkreisläufe der Kreislaufwirtschaft. (Grafik: INFRAS/Rytec; basierend auf Grafiken aus EMF 2015 und EEA 2017b.)

Beispiele in der MEM-Industrie

Reparatur und Wartung: Werkzeugmaschinen und hochwertige Produktionsanlagen sind Investitionsgüter, die auf eine lange Nutzungsdauer von mindestens 25 Jahren ausgelegt sind. Damit sind Retrofit, eine regelmässige Wartung, robuste Bauweise sowie eine Konstruktion, die einen einfachen Austausch von Verschleissteilen ermöglicht, in der MEM-Industrie bereits heutiger Standard. Für United Grinding ist dies beispielsweise ein attraktives Geschäftsfeld.

Wiedereinsatz: Linde Gas baut Gasversorgungsanlagen vor Ort bei ihrer Kundschaft auf. Werden die Gase nicht mehr gebraucht, wird die Anlage abgebaut und kommt bei einem anderen Unternehmen zum Einsatz. Die Kosten werden durch eine rasche Zerlegbarkeit gering gehalten, da die Anlagen aus standardisierten, modularen Baugruppen bestehen.

Remanufacturing: Caterpillar frischt Motoren oder Komponenten auf und verkauft sie als Remanufactured-Ersatzteile mit derselben Garantie wie Neuteile zu 40 bis 60 Prozent des Preises fabrikneuer Ersatzteile. Um die gebrauchten Teile zurückzuerhalten, sind die Kernkomponenten von verkauften Maschinen indirekt mit einem Pfand belegt. Günstige Remanufactured-Ersatzteile können nur im Austausch gegen gebrauchte Komponenten gekauft werden.

Geschäftsmodelle: Statt ihre Triebwerke an ihre Luftfahrtkundschaft zu verkaufen, bieten Rolls-Royce diese als Dienstleistung an. Der Kunde bezahlt wird pro geflogene Stunde bzw. für die Leistung des Triebwerks statt für das Produkt. Wartung und Ersatz sind inklusive.

Mit angepassten Geschäftsmodellen Umsatz generieren

Eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft lässt sich jedoch nur mit angepassten Geschäftsmodellen realisieren: So bieten Unternehmen beispielsweise ihrer Kundschaft Produkte zur Langzeitmiete oder der erbrachte Nutzen als Dienstleistung an. Vielfach sind die Margen dieser Geschäftsmodelle höher als im konventionellen Verkaufsgeschäft. Die Unternehmen bleiben zudem Eigentümer an den Produkten und versuchen diesen aus ökonomischem Eigeninteresse ein zweites Leben zu geben. In einem solchen Kreislaufmodell lohnt es sich für Unternehmen, in die Entwicklung von langlebigeren, schneller reparierbaren und wiederaufbereitbaren Produkten zu investieren, was sich gleichzeitig positiv auf die Umwelt auswirkt. Auch die Kundennähe wird durch das Kreislaufmodell gestärkt, wodurch langfristige Geschäftsbeziehungen etabliert werden können.

Potenziale in der MEM-Industrie

Reparatur und Wartung bei Investitionsgütern sind in vielen Subbranchen der MEM-Industrie bereits Standard. Allerdings gibt es noch ein gewisses Potenzial im Niedrigpreissegment. Der Wiedereinsatz von Produkten erfolgt häufig über den Sekundärmarkt in Absatzsegmente mit geringeren Ansprüchen. Hier besteht technisches und wirtschaftliches Potenzial, Produkte durch Auf- und Nachrüsten in einem ähnlichen Markt wiedereinzusetzen. Bei der technischen Überholung respektive Remanufacturing ist die Automobilbranche, zum Beispiel bei Tauschmotoren, besonders fortgeschritten. Im Medtech-Bereich – unter anderem bei MRI-Scannern oder bei Blockheizkraftwerken – ist das Aufbereiten und Überholen üblich. Durch kreislauffähige Geschäftsmodelle haben gerade Schweizer MEM-Unternehmen aufgrund der hohen Qualität ihrer Maschinen, Produkte sowie dem Produktions- und Wartungs-Know-how gute Chancen, sich einen internationalen Wettbewerbsvorteil zu sichern.

Aktuelle Gesetzeslage

In der Schweiz wurden Kreislaufschliessungen bisher hauptsächlich aufseiten des Abfalls geregelt. Die EU hat über ihre Abfallregulierung hinaus kürzlich einzelne Kreislauffähigkeits-Anforderungen in der Ecodesign-Direktive publiziert. Diese schreibt vor, dass Ersatzteile für gewisse Produktgruppen lange verfügbar bleiben müssen und eine Reparatur möglich sein soll. Die Vorschriften wurden wiederum von der Schweiz in die Energieverordnung (EnV) übernommen, in der auch bisherige Ecodesign-Anforderungen zu Energieeffizienz-Themen geregelt sind. Mit der Ausweitung auf Anforderungen zu Kreislaufwirtschaft passt dies zwar thematisch nicht, dafür bleibt die Systematik erhalten.

Die EU hat im Frühling 2020 ihren zweiten Kreislaufwirtschafts-Aktionsplan lanciert, dessen zahlreiche Massnahmen nun im Detail ausgearbeitet werden. Darunter werden auch produktrelevante Vorgaben sein, die für exportorientierte Unternehmen relevant sein und von der Schweiz übernommen werden könnten. Ausserdem beschäftigt sich das Schweizer Parlament mit Vorstössen, die zukünftig in konkreten Regelungen bezüglich Kreislaufwirtschaft münden könnten.

Anlaufstellen für Unternehmen

Grundsätzlich lohnt es sich für alle Unternehmen, sich mit den Grundlagen der Kreislaufwirtschaft sowie den dazugehörenden Produkt- und Prozessentwicklungen vertraut zu machen. Eine illustrative Sammlung von guten Umsetzungsbeispielen hat Business Europe publiziert. Das Netzwerk Ressourceneffizienz Schweiz hilft, mit dem Know-how von Expertinnen und Experten konkrete Projekte zu entwickeln. Aber auch Ausbildungsmodule, wie beispielsweise die Reihe «fokuskreislaufwirtschaft», geben Hilfestellung.

Simone Rieder ist Projektleiterin Kreislaufwirtschaft Rytec Circular; Dr. Adam Gontarz ist Ressortleiter Fachgruppen Swissmem; Dr. Christine Roth ist Ressortleiterin Umwelt Swissmem.

 

Dieser Beitrag ist bei NZZ Online anlässlich der Veranstaltung CE2 vom 17. September 2020 erschienen.

Autoren:

Simone Rieder Rytec Circular
Dr. Adam Gontarz Swissmem
Dr. Christine Roth Swissmem.

Publikation:

NZZ Online

Publikationsdatum:

17.09.2020

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